Von Mensch zu Mensch

Kampfkunst-Lehrgang 7./8. Oktober 2017 in Bogen (Niederbayern) zugunsten der KinderKrebshilfe

Kalt und feucht war es um 7h morgens vor der Wellenbadhalle, wo sich 3 Autos voll Penzberger Budoka auf den Weg nach Bogen machten. Und kalt und feucht war es auch in Bogen, wo alle pünktlich an der Sporthalle des Gymnasiums ankamen. Nach den formellen Begrüßungen reihten sich um die 70 Kampfkünstler um die blauen, recht dünnen Matten. Shihan Wolfgang Wimmer eröffnete das Seminar und zwei Budoka, einer mit dem Katana, der andere mit zwei Sai, zeigten Harai no Gi. Dann folgte die Begrüßung durch den Bürgermeister der Stadt Bogen. Der erntete gleich mal entsetzte Blicke von allen Seiten, weil er mit seinen Straßenschuhen, ohne zu zögern die Matte betrat und darauf herumlief, während er den Anwesenden erklärte, dass die bayerischen Rauten vom Grafengeschlecht von Bogen stammten. Außerdem wies er auf die Sights der Stadt und der Region hin. Zum Glück ging er nicht allzu sehr ins Detail, denn der Boden der Halle war echt kalt, die Zehen mittlerweile auch und der erste hatte bereits geniest, noch bevor alle zum Gruß abknieten.

Durchgefroren kann man natürlich keinen Sport betreiben und deshalb heizte uns Sensei Monika (Wiesner) auf die Schnelle ein bisschen ein. Dann verteilten sich die Teilnehmer auf Aikido und Iaido, wobei jede Person auf der Aikido-Matte etwa 1m2 Platz hatte, während sich die wenigen Iaido-Interessierten auf großer Fläche austoben konnten. Kyoshi Thomas Moser beglückte die dicht Gedrängten dann auch nur mit ganz leichten, spielerischen Handhebeln und seinem großartigen Humor.

Unterbrochen wurde die ohnehin schon verkürzte Sequenz vom Landrat, der auch noch kurz vorbeischaute (die Halle gehört dem Landkreis) und den Teilnehmern erklärte, dass die Rauten des bayerischen Staatswappens aus Bogen kommen und dass Bogen für den Touristen einiges zu bieten hat (ein Déjà-vu?) Zum Matte-Betreten hatte er keine Chance, da standen die Aikido-Schüler.

Wesentlich härter war eine Runde später die Judo-Einheit, die zum ersten Mal von dem energiegeladenen Sensei Peter Hauschke verabreicht wurde. „Jetzt machen wir mal ein paar Würfe.“ Sprach’s und übte dann Osoto-Gaeshi und Osoto-Gari. Allerlei Rückwärtsgerolle, mal elegant, mal eher weniger, auf der dünnen Matte rundete das Ganze ab. Leider hat sich Karlheinz bei einem Wurf verletzt. Nicht krankenhausreif, aber doch genug, um den Rest des Lehrgangs von der Seitenlinie aus beobachten zu müssen. Gute Besserung an dieser Stelle!

Nebenan war elegantes Stockhandling angesagt – eine harmonische Kobudo-Kata mit Renshi Heinz Perzl. Gar nicht so einfach, Füße, Griffrichtung, Stockbewegung und Körperhaltung auf einmal zu koordinieren. Aber das Ergebnis sieht einfach cool aus!

Endlich war man gerade so warm geworden, da wurde die Mittagspause eingeläutet. Gute Stimmung am Penzberger Tisch bei Brezen, Kuchen, Semmeln und einem Fingerhut voll Kaffee. Doch gleich darauf wurde es sehr ernst.

Nach einem kräftigen BANZAI, damit alle wieder hellwach wurden – auch die Iaidoka am anderen Ende der Halle, zeigte Renshi Norman Goly seinen faszinierten Schülern wieder kleine Ausschnitte aus seinem umfangreichen Repertoire „Ich leg meinen Finger da hin und dann reibe ich mal kurz dort und seht ihr, schon liegt er da und ist bewusstlos… (grins)“.

Nun, den einen oder anderen Punkt findet fast jeder nach ein bisschen Probieren und „Tut das weh? Nein? Dann vielleicht so?“ „Au!“ „Ah (grins)“, aber insgesamt ist Kyusho-Jitsu doch ziemlich schwierig. Dafür ist es jedoch sehr vielseitig und ein „Add-on“ für jeden Kampfstil, wie Norman erklärte.

Was nebenan genau passierte, ist für Nicht-Iaidoka ohnehin schwer zu beurteilen. Die Penzberger waren aber alle beim Kyusho-Jitsu und bekamen von Wolfgang und seiner Kunst kaum etwas mit.

Danach war Hanshi Rudi an der Reihe und ging von Ido-Formen zu Jiu-Techniken. Und weil jeder Verein ziemlich „zusammenklebte“, musste er zunächst einmal einschreiten und seine Schüler neu verteilen. Und siehe da: Auch mit unbekannten Trainingspartnern kann man prima lernen.

Das „Klack-Klack“ der langen Stöcke vom anderen Ende der Halle störte nicht, wo Renshi Patrice Merckel eine weitere, ganz andere Kobudo-Einheit gab. Zum Glück gab es bei den zahlreichen Partnerübungen mit den langen Kampfstäben keine blauen oder zerquetschten Finger.

So ähnlich ging es weiter mit Aikido, Aikijitsu und nochmals Judo bzw. Iaido, Kobudo und dann einer Karate-Lektion bei Renshi Patrice Merckel, die manchem der Penzberger arg hart vorkam. Dann waren die Köpfe endgültig voll und die Mägen erschreckend leer. Also auf ins Hotel und dann ab zum Dinner, das in fröhlicher Runde den ersten Tag abrundete.

Am nächsten Morgen waren alle pünktlich beim Frühstück, nur Florian brauchte einen kleinen Schubs, um aus dem bequemen Bett zu kommen.

Kurz drauf sah man sich zur Fortsetzung vom Samstag auf der Matte wieder. Deutlich reduziert war die Zahl der anderen Teilnehmer, sodass der Penzberg Prozentsatz noch höher war als am Vortag.

Jeder Referent baute nun auf seinen vorherigen Einheiten auf, und wer beide oder gar alle drei (beim Kyusho-Jitsu) besucht hatte, konnte wirklich viel mitnehmen: Beim Kobudo eine komplette Bo-Kata, bei Kyusho-Jitsu endlich ein paar Erfolgserlebnisse und viele neue Gedanken, beim Jiujitsu eine ungewöhnliche, aber kuschelige Ido-Kombination und vieles mehr.

Schließlich folgte der Dank an die Referenten, die zugunsten der KinderKrebshilfe auf jegliches Honorar oder Fahrtkostenerstattung verzichtet hatten und so dazu beitrugen, dass um die 1000,- Euro für den guten Zweck zusammenkamen. Eine überraschende Graduierung erhielt Peter Hauschke zum 1. Dan Judo und 3. Dan Aikido. Nach der Abschlusszeremonie Osama no Gi und dem Abgrüßen – ein letztes BANZAI, dass die Halle erzitterte – zerstreuten sich alle und traten den mehr oder weniger weiten Heimweg an.

Schön war’s wieder mal und lehrreich! Danke an alle!

Text: Lydia Cordes